Wassersensible Stadtentwicklung in

Gewerbegebieten

Industrie- und Gewerbegebiete zeichnen sich durch einen Versiegelungsgrad von bis zu 90 % aus. Dadurch kann die Überwärmung besonders ausgeprägt sein und sich auf das gesamte Siedlungsklima auswirken. Die Folgen sind verschlechterte Arbeitsbedingungen und Aufenthaltsqualitäten für Beschäftigte, erhöhte Kosten für Klimatisierung und gegebenenfalls Schäden an Gebäuden oder Produktionseinschränkungen. 

Potenziale blau-grüner Infrastrukturen in Gewerbegebieten

In Gewerbegebieten ergibt sich durch große Gebäude- und Außenflächen ein hohes Flächenpotenzial für eine wassersensible Gestaltung. Sowohl für Unternehmen als auch für Kommunen entstehen dabei neue Chancen. Die Attraktivität der Gebiete wird gesteigert, die Arbeits- und Aufenthaltsqualität für Mitarbeitende verbessert und die Lebensqualität in Nachbarquartieren erhöht.

Versickerung, Rückhalt, Speicherung und Nutzung von Niederschlagswasser vor Ort

Reduktion von Hitzeinseln und Verbesserung des Mikroklimas durch Verdunstung

Steigerung der Attraktivität und Verbesserung der Arbeitsbedingungen

Versiegelte Flächen wie Parkplätze und Dachflächen in Gewerbegebieten bieten ein großes Potenzial für den Umgang mit Regenwasser. Durch blau-grüne Maßnahmen kann das sonst über versiegelte Flächen ablaufende Niederschlagswasser versickert und gespeichert werden, anstatt in das Kanalnetz abgeleitet zu werden. So lassen sich einerseits Kosten einsparen, andererseits wird die Kanalisation bei Starkregen entlastet.

Auch die Speicherung und Nutzung von Regenwasser als Brauchwasser (z. B. in Produktionsprozessen) oder im Zusammenhang mit naturnahen Maßnahmen zur Gebäudekühlung oder Abwasserreinigung bietet große Potentiale für eine Steigerung der Klimaresilienz einerseits und eine Kostenersparnis andererseits (siehe untenstehendes Beispiel).

Besonders in Gewerbegebieten ist die zunehmende Hitzebelastung spürbar: es bilden sich gesundheitsbelastende Hitzeinseln, die sich auch auf das Klima angrenzender Siedlungen auswirken. Begrünungsmaßnahmen an Fassaden (bspw. mit Kletterhilfen) und auf Dächern können durch die Verdunstungsaktivität der Pflanzen für Kühlung sorgen und somit die Temperaturen vermindern. Im Winter tragen sie zur Wärmespeicherung bei. Kosten für Heizung und Kühlung können dadurch eingespart werden. Die Anpflanzung von Bäumen sorgt durch Verdunstung und Verschattung ebenfalls für Kühlung. 

Gut zu wissen: Die Kühlleistung eines großen Laubbaumes kann laut Forschenden der Universität Wageningen zwischen 20 und 30 Kilowatt betragen. Das entspricht einer Leistung von 10 Standardklimaanlagen. (Botanik Guide 2018)

Die Abkühlung durch Begrünung sorgt auch bei Mitarbeitenden für verbesserte Arbeitsbedingungen und eine angenehmere Aufenthaltsqualität, was zu einer Steigerung der Produktivität beiträgt. Unternehmen können so ein positives Image aufbauen, welches das gesamte Gewerbegebiet aufwertet und Anreize für die Ansiedlung anderer Unternehmen setzt.

Herausforderungen für blau-grüne Infrastrukturen in Gewerbegebieten

Bei der Neuausweisung eines Gewerbegebietes können zahlreiche Potentiale für eine blau-grüne Gestaltung ausgeschöpft werden, siehe hierzu unter NEUPLANUNG. Jedoch besteht, vor allem im peripheren Räumen die Herausforderung, die Flächen mit den zahlreichen (z.T. kostspieligen) Auflagen auch zu veräußern. Im Bestand sind die Herausforderungen komplexer durch die bestehenden Eigentums- / Vertrags- / Pachtverhältnisse. Insgesamt ist viel Überzeugungsarbeit zu leisten.

Durch Vorgaben zu klimaangepassten Gewerbegebieten besteht die Gefahr, dass Unternehmen sich für andere Standorte ohne diese Vorgaben entscheiden. Andererseits bieten Gewerbegebiete mit grünem, nachhaltigen Image auch Standortvorteile: Insbesondere für Dienstleistungsgewerbe und Unternehmen mit „grünen“ Werten sind solche Standorte ggf. interessanter als andere.

Bei bestehenden Gewerbegebieten gibt es großes Anpassungspotenzial. Allerdings sind Eigentums- / Vertrags- / Pachtverhältnisse oft komplex. Meist muss hier vor allem Beratung und Förderung anstatt Verbindlichkeit zu einem Umdenken anregen. Auch Partnerschaften zwischen Kommune und Unternehmen (public-private partnerships) sind möglich: Insbesondere wenn es um Überflutungs- oder Hitzevorsorge geht, hat auch die Allgemeinheit ein Interesse an der Umsetzung von Maßnahmen.

Handlungsoptionen zur Umsetzung blau-grüner Infrastrukturen in Gewerbegebieten

(1) Schritte zu klimaangepassten und wassersensiblen Gewerbegebieten

Wie können Kommunen die Entwicklung von klimaangepassten und wassersensiblen Gewerbegebiete forcieren oder unterstützen? Die untenstehenden Projekte und Veröffentlichungen bieten einen ausführlichen Überblick über die Erfolgsfaktoren. Die Checklisten fassen diese zusammen:  

(2) Blau-grüne Maßnahmen für Gewerbegebiete

Für die Entwicklung eines nachhaltigen Gewerbegebiets kann die Etablierung eines Managements von Vorteil sein, welches Netzwerke ausbildet und Prozesse anstößt. Dieses Management kann Teil der Kommunalverwaltung oder auch einer unabhängigen Institution sein.

Wirkungen:

Netzwerk

Etablierung eines engagierten Unternehmensnetzwerks, ggf. administriert durch Gebietsmanagement. Gebietseigene Interessen, sowie kommunale Nachbarschaftsinteressen können so vereinbart werden.

Wirkungen:

Netzwerk

Satzungsrechtliche Vorgaben sorgen für Verbindlichkeit, beispielsweise Festsetzungen von Dach-Fassadenbegrünung oder Versickerungsanlagen und unversiegelten Flächen. Auch Anlagen zur Nutzung erneuerbarer Energien können festgesetzt werden. .

Bauplanungsrechtliche Festsetzungen: Gemäß § 9 Abs. 1 BauGB i.V.m. der BauNVO:

  • Maßnahmen zum Schutz, zur Pflege und zur Entwicklung von Boden, Natur und Landschaft z. B. Versickerung und Gebäudebegrünung
  • Anpflanzen und Erhaltung von Bäumen, Sträuchern und sonstigen Bepflanzungen z. B. Vorgartenzone

Neben gebäudebezogener Begrünung können sich „grüne Achsen“ positiv auf das gebietseigene Klima als auch auf das darum liegende auswirken (weiche Standortfaktoren). So wird der Standort stärker für die Öffentlichkeit geöffnet und erhält eine hohe Attraktivität.

Wirkungen:

Verschattung

Zufriedenheit

Begrünung

Die blau-grüne Gestaltung der Gebäude und Hallen von Beginn an mitplanen: z.B. ausreichende Tragkraft der Dachkonstruktion, um ein Grün- oder Retentionsdach zu tragen. Im Außenbereich Flächen vorhalten, welche begrünt werden, z.B. mit schattenspenden Bäumen.

Wirkungen:

Speicherung

Verschattung

Begrünung

Bei der Flächennutzungsplanung können hier bereits kritische Bereiche ausgelotet werden, die für eine gewerbliche Nutzung nicht geeignet wären.

Verschiedene zuständige Bereiche innerhalb der Kommunalverwaltung sollten integriert zusammenarbeiten, um alle Aspekte der blau-grünen Stadtgestaltung abzudecken. Weitere Informationen hier bietet die Seite Kommunale Prozesse.

Die Kommune hat bei der Vergabe der Grundstücke viel Mitbestimmung. Hier können Auflagen für interessierte Unternehmen erarbeitet werden oder es werden finanzielle Anreize geschaffen, um Unternehmen zu animieren, bestimmte Maßnahmen umzusetzen.

Der Einsatz von Rasengittersteinen oder Schotterrasen schafft Versickerungspotenzial, verbessert das Erscheinungsbild und kann dazu beitragen, Niederschlagswassergebühren einzusparen. In Hitzeperioden heizen sie weniger auf als versiegelte Flächen und tragen durch Verdunstung zur Abkühlung der Gebiete bei. 

Wirkungen:

Verdunstung

Versickerung

Vertragsrechtliche Vorgaben, z.B. Vereinbarung zur Freiflächengestaltung, sorgen für Verbindlichkeit bei der Umsetzung von Maßnahmen.

Im Rahmen eines Klimaanpassungskonzepts können Maßnahmen für Gewerbegebiete erarbeitet werden, welche künftig bei der Ansiedelung von Unternehmen oder im Bestand beachtet werden müssen. Die Erstellung solcher Konzepte wird in vielen Fällen gefördert.

Beispiel: Mehrwert und Kosten einzelner blau-grüner Maßnahmen

Die unten stehenden Daten stammen aus der Broschüre „Nachhaltige Gewerbegebiete
Empfehlungen für Kommunen des Wila Bonn, welche im Rahmen des Projektes „Grün statt Grau – Gewerbegebiete im Wandel“ erstellt wurde.

Beispiel: Retentionsdach als natürliche Kühlung

Eine Kelterei in Frankfurt am Main spart mit seinem 3.000 m² großen Retentionsdach jährlich bis zu 6.000 Euro Kühlkosten: Regenwasser wird im Kreislauf über eine Kühlanlage und ein mit Sumpfpflanzen bestandenes Dach gezielt für die Kühlung einer Lagerhalle genutzt. Die durch Wasserfläche und Pflanzen entstehende Verdunstungskühle kühlt das erwärmte Regenwasser wieder ab und schafft so einen Mehrwert für das Gebäude und die Umgebung. Der Rückhalt von Niederschlagswasser entlastet die Kanalisation und mindert das Überflutungsrisiko. Gleichzeitig bieten die Wasserflächen Lebensraum für Vögel und Insekten.

Quelle: Factsheet „Industrie- und Gewerbegebiete – klimaangepasst: Dachbegrünung mit Funktion„, Hessisches Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie, 2021

Beispiel: Fördermöglichkeiten in Gewerbegebieten

Für Kommunen und Unternehmen gibt es je nach Bundesland unterschiedliche Förderangebote zur wassersensiblen Entwicklung von Gewerbegebieten. Programme wie „Maßnahmen zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels“ des Bundesumweltministeriums oder das KfW-Programm bieten zudem Unterstützung auf Bundesebene.

Weitere Informationen bietet die Broschüre „Gewerbegebiete − klimaangepasst und fit für die Zukunft! Praxisbeispiele aus Kommunen und Unternehmen des Hessischen Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie.

Programm

Förderbereiche

Förderung

„Frankfurt frischt auf!“

Stadt Frankfurt am Main

Dach- und Fassadenbegrünung, Entsiegelung und Begrünung von Höfen oder Verschattungsmaßnahmen mit Wirkung in den öffentlichen Raum

Unterstützung von Unternehmen mit kostenloser Vor-Ort-Beratung und finanzieller Förderung der Umsetzung bis zu 50% (max. 50.000 Euro).

„Der geschenkte Baum“ 

Stadt Frankfurt am Main

Standorte für Bäume, Baumarten

Die Stadt Frankfurt unterstützt Unternehmen nach einer Beratung durch das Umweltamt / die Naturschutzbehörde bei der Finanzierung eines Laubbaumes mit bis zu 500 Euro.

Gründachkataster der Stadt Marburg

Eignung von Dächern zur Umsetzung einer Begrünung, potenzielle CO2-Speicherung, Feinstaubbildung, Wasserretention

Eigentümer:innen können einen Antrag auf Zuschuss einer Dachbegrünung bei Neubauten und Nachrüstungen für Dächer auf Wohn- und Gewerbegebäuden, Garagen und Carports stellen. Es werden 50 % der Kosten bezuschusst (max. 5.000 Euro).

Kombiniertes Gründach- und Entsiegelungskataster der Stadt Hanau

Gründachneigung, potenzielle Flächen zur Entsiegelung mit ihrer thermischen Auswirkung

Kostenlose Vor-Ort-Beratung

Energie- und Klimaschutzförderrichtlinie der Stadt Alsfeld

Dach- und Fassadenbegrünung, Entsiegelung und Begrünung von PKW-Stellplätzen

Die Stadt Alsfeld bezuschusst die Umsetzung genannter Förderbereiche.

Relevante Projekte

Netzwerk Grün statt Grau – Gewerbegebiete im Wandel

Durch die Zusammenarbeit von acht Verbundpartnern im Projekt „Grün statt Grau“ sind zahlreiche Erfahrungen entstanden, wie Mitarbeitende der Kommunalverwaltung bspw. gut auf Unternehmen zugehen und sich auch innerhalb der Verwaltung vernetzen können, um so zu einer nachhaltigen Entwicklung von Gewerbegebieten beizutragen.

Klimprax Gewerbe – klimaangepasst
und fit für die Zukunft!

Das HLNUG zeigt in diesem Projekt anhand von gelungenen Praxisbeispielen und bereits existierenden Förderprogrammen, welche Möglichkeiten sich Kommunen für eine klimaangepasste Gestaltung von Gewerbegebieten bieten.

PERFORM – Zukunftsfähige Gewerbegebiete in FrankfurtRheinMain

Die IHK Darmstadt gibt in Zusammenarbeit mit der Hochschule Darmstadt anhand toller Bestandsanalysen unternehmensnahe Impulse für eine nachhaltige und verträgliche Flächenentwicklung für Kommunen.