Wassersensible Stadtentwicklung an

Urbanen Gewässern

Wasserflächen in urbanen Gebieten können unmittelbar zu einer wassersensiblen Entwicklung beitragen. Seen und Teiche sowie Flüsse und Bäche – Gewässer haben auch in der Stadt vielfältige ökologische und klimatische Vorteile. Sie sind ein wichtiger Teil des urbanen Wasserkreislaufs, schaffen Verdunstungskühle und sind bevorzugte Räume für Freizeit und Erholung der StadtbewohnerInnen.

Potenziale ökologischer Gewässerentwicklung für urbane Räume

 

Urbane Gewässer sind beliebte Aufenthaltsorte und Ausgleichsräume für das belastete Stadtklima. Gleichzeitig sind sie von den Auswirkungen des Klimawandels stark betroffen, z. B. durch Niedrigwasser in Trockenperioden oder Schadstoffeinträge, sowie bei starken Regenfällen von Straßen und Plätzen.  Eine naturnahe Umgebung mit naturnahen Auen und möglichst viel Freiraum für das Gewässer erhöht die Resilienz und schafft so diverse Potentiale für die urbanen Räume.

Förderung eines naturnahen Wasserkreislaufs durch ökologische Gewässerentwicklung

Verbesserung des Mikroklimas durch Verdunstung und Erhalt von Kaltluftschneisen

Steigerung der Attraktivität und Schaffung von Erholungs- und Begegnungsraum

Blau-grüne Maßnahmen der Regenwasserbewirtschaftung in den urbanen Einzugsgebieten entlasten das gestörte Abflussverhalten im Gewässer und fördern den ökologischen Zustand. Dadurch ergeben sich weitere Synergien, z.B. mit der Erhöhung der Biodiversität in und am Gewässer sowie der Steigerung der Aufenthaltsqualität und der Schaffung von klimatischen Ausgleichsfunktionen.

Gleichzeitig fördern Gewässer mit unverbauter Sohle und naturnahen Auen die Grundwasserneubildung.

Gewässer wirken ausgleichend auf das umgebende Mikroklima. Mit ausreichender Breite stellen Gewässerläufe die Frischluftzufuhr sicher, sie bilden sogenannte Kaltluftschneisen. Offene Wasserflächen sorgen zudem für Verdunstungskühle.

Wechselnd dichter Uferbewuchs trägt zur Beschattung der Wasserflächen bei, was die Wassertemperaturen in heißen Sommermonaten senken kann. Die Biodiversität innerhalb urbaner Räume wird gestärkt.

Beschattete Uferbereiche wirken durch Verdunstung abkühlend und sind beliebte  Erholungs- und Begegnungsräume für BewohnerInnen. Ökologisch aufgewertete urbane Gewässer erhöhen damit die Attraktivität einer Stadt.

Herausforderungen ökologischer Gewässerentwicklung für urbane Räume

Um die beschriebenen Potenziale nutzen zu können, müssen die urbanen Gewässer naturnah entwickelt werden: offengelegte und aufgeweitete Gewässerabschnitte werden sichtbar, erlebbar und erhalten ökologischen, klimatischen und sozialen Wert. Dies ist keine leichte Aufgabe, denn die Flächen in direkter Nachbarschaft zu den Gewässern gehören seit je her zu den begehrtesten. In der Vergangenheit wurden daher Stillgewässer trockengelegt, Flüsse begradigt, kanalisiert und verdohlt. An vielen Orten haben urbane Gewässer daher einen schlechten Ausgangszustand.

Die für eine Querschnittsaufweitung benötigten Flächen sind in der Regel überbaut, z.B. mit Verkehrs-, Industrie oder Gewerbeflächen und daher nicht direkt verfügbar. Zudem ist meist nicht die Kommune Eigentümerin der benötigten Flächen, sondern diverse öffentliche und private EigentümerInnen. Oft komplizierte Aushandlungsprozesse müssen Flächenkonkurrenzen lösen. Hierbei können integrierte kommunale Prozesse helfen.

An verbauten Gewässern mit stark strukturierten Gewässerläufen fehlen in der Regel Habitate für typische Tier- und Pflanzenarten. Weitreichende bauliche Eingriffe sind meist notwendig, oft erholt sich die Gewässerökologie nur langsam oder durch intensive Unterstützung. Hierbei können idealerweise digitale Methoden im Monitoring Einsatz finden.

Fehlender Uferbewuchs und geringe Beschattung führen zu einer stärkeren Erwärmung und geringerer Sauerstoffsättigung von Gewässern. Niederschläge, welche über versiegelte Flächen zum Gewässer hin abfließen, verursachen in der Regel einen erhöhten Eintrag von Schadstoffen. Beide Hemmnisse können mit blau-grünen Infrastrukturen abgemildert werden.

Handlungsoptionen für eine ökologische Gewässerentwicklung

Um die Potentiale einer naturnahen Gewässerentwicklung auszuschöpfen, stehen – je nach Gewässertyp und -struktur – eine Reihe von Handlungsoptionen zur Verfügung.

Versickerungsfähige Rückhalteflächen an Gewässern können Hochwasserspitzen abpuffern, Wasser für Trockenperioden speichern, schaffen vielfältige Lebensräume, können das Mikroklima verbessern und fördern die Grundwasserneubildung.

Wirkungen:

Rückhaltung

Versickerung

Offene Wasserflächen haben einen kühlenden Effekt auf das Mikroklima der Stadt und können als Erholungsraum für die Bevölkerung dienen.

Wirkungen:


Zufriedenheit

Verdunstung

Gewässerläufe ohne Querbauwerke gewährleisten einen sicheren Abfluss des Wassers aus der Stadt und stellen die Durchwanderbarkeit des Gewässers für aquatische Lebewesen sicher.

Wirkungen:

Leitung

Stark verbaute und eingeengte Gewässer bieten eine verringerte Abflusskapazität und sind stärkerer Seiten- und Tiefenerosion ausgesetzt. Aufweitungen und flache Böschungen mit Überflutungsflächen dagegen können Hochwasserspitzen abpuffern.

Wirkungen:

Versickerung

Rückhaltung

Verrohrte Gewässer bieten aufgrund ihres eingeengten Gewässerquerschnitts eine verringerte Abflusskapazität und können bei starken Niederschlägen leicht durch Schwemmgut verklausen. Die (abschnittsweise) Wiederherstellung des natürlichen Wasserlaufs ermöglicht die Schaffung von innerstädtischen Naherholungsflächen und erhöht die Lebensqualität.

Wirkungen:


Zufriedenheit

Leitung

Fehlender Uferbewuchs und fehlende Beschattung führt zu stärkerer Erwärmung des Gewässers und Verkrautung; der dadurch entstehende Sauerstoffmangel im Gewässer kann zu einem ökologischen „Kippen“ des Gewässers führen.

Wirkungen:

Begrünung

Verschattung

Ein 5 bis 10 Meter breiter Gewässerrandstreifen reduziert stoffliche Einträge in das Gewässer und kann als Versickerungs- und Überflutungsfläche dienen.

Wirkungen:

Versickerung

Beispiel: Offenlegung des Kochers in Aalen

Im Zuge der Umgestaltung der Stuttgarter Straße in Aalen soll der Fluss Kocher teilweise offengelegt und renaturiert werden.

Unter anderem am Aalener Rathaus verläuft der Kocher unterhalb eines Parkplatzes und ist somit nicht zugänglich. Durch die Offenlegung soll neben den Vorteilen für das Stadtklima auch die Aufenthaltsqualität gesteigert werden.

Weitere Informationen finden Sie hier.

Foto: Matthias Frank (CC BY-SA 3.0)

Beispiel: Umbau der Emscher

Der Emscher Umbau ist ein sehr bedeutendes und langfristiges Gewässerprojekt in Deutschland. Im Zuge der Industrialisierung wurde die Emscher vom Menschen zu einem offenen Abwasserkanal umfunktioniert und verlor dadurch neben der Wasserqualität auch an natürlichen Fließeigenschaften. Zu Beginn der 90er Jahre wurde der Umbau beschlossen: die Emscher sollte wieder naturnäher und vor allem abwasserfrei werden. Dies hatte große Auswirkungen auf die gesamte Region: mehr Aufenthaltsqualität, Biodiversität und Artenvielfalt, Frischluft- und Kühlungseffekte sowie die Förderung des natürlichen Wasserhaushalts.

Weitere Informationen finden Sie hier.

Beispiel: Wie kann ich die Revitalisierung eines Fließgewässers umsetzen?

Im Zuge der Landesstudie Gewässerökologie in Baden-Württemberg wird diese Frage in einem Scrollytelling anschaulich anhand von Bildern und Illustrationen aufgegriffen und erläutert. Besonders für Kommunen oder zuständige BearbeiterInnen  der Wasserbehörden können die hier gezeigten Planungsschritte eine Hilfestellung für die Umsetzung geben.

Weitere Informationen finden Sie hier.

Relevante Projekte

Urbane Gewässer

Der interdisziplinäre Forschungsverbund Urbane Gewässer mit Sitz am IGB Berlin befasst sich mit ökologischen Potenzialen von Flüssen, Bächen, Seen und Kleingewässern in Städten. Im Zuge dessen regt der Verband neue Forschungs- und Umsetzungsprojekte an.

Blaues Gut – Wir machen Gewässer besser

Die Initiative Blaues Gut wurde vom Umweltministerium Baden-Württemberg ins Leben gerufen. Unter anderem finden Kommunen hier Hilfestellungen bezüglich der Umsetzung von Maßnahmen an Gewässern.

Adressen am Fluss – mehr Aufenthaltsqualität am Wasser

Das Projekt „Adressen am Fluss“ des Verbandes Region Stuttgart in Kooperation mit der Internationalen Bauausstellung 2027 (IBA’27) unterstützt Kommunen am Neckar dabei, sich enger mit dem Fluss zu verknüpfen und ihn in eine „zukunftsfähige, resiliente grün-blaue Infrastruktur“ zu verwandeln. Die Broschüre „Flussregion werden“ bietet erste Einblicke in neue Planungsansätze und Strategien.